Die Geschichte von dem englischen Golde bei der Fähre von Hechthausen.

„Die Geschichte, die ich nach mündlichen Überlieferungen versuchen will,

hier wiederzugeben, kann keinen Anspruch auf absolute Korrektheit, namentlich in Bezug auf die Zeit, wann sie sich zugetragen hat, machen.

Ich konnte das Jahr nicht feststellen, doch kann nur entweder Ende der dreißiger oder Anfang der vierziger Jahres des 19. Jahrhunderts in Frage kommen.

 

In jener Zeit kamen nämlich von England große Summen Goldes nach Hannover, wo sich die Behörde befand, die die Pensionen (Half pay) der in der königlich Deutschen Legion (Kings German Legion) gedienten Offiziere auszahlte. Diese Goldsendungen kamen zu Schiff die Elbe hinauf nach Hamburg, nur im Winter bei Eisgang gelangten sie nicht weiter als bis Cuxhaven und mussten von dort mit Frachtwagen befördert werden. Alte Leute haben mir erzählt, dass mitunter eine ganze Reihe dieser Planwagen auf der Sietwende, die von Hechthausen zur Fähre führt, entlanggezogen seien.

 

Nehmen wir an, die Begebenheit hat sich im Winter 1840 zugetragen. An der Oste-Fähre war ein Transport englischen Goldes von Cuxhaven avisiert. Die Wagen konnten jeden Augenblick eintreffen und der Müller und Gastwirt, dessen Vermögensumstände durchaus nicht glänzend waren, war darauf bedacht einen Grund zu finden, den Transport aufzuhalten, damit die Leute und Gespanne bei ihm logieren mussten. Diesmal dachte er ein besonderes Hühnchen zu rupfen. Die Frachtwagen kamen an und wollten ihren Weg gleich fortsetzen.

Man bedeutete ihnen jedoch, dass dies nicht angängig sei, da man bei dem starken Treibeis nur zwischen den Tiden mit der Wagenfähre hinüber komme. Da war kein anderer Rat, es musste unter Dach gefahren, die Pferde ausgeschirrt und Logis bezogen werden. Die Tonnen mit dem kostbaren Inhalt wurden ordnungsgemäß gezählt, den Pferden das Futter eingeschüttet, und dann begab man sich zu Speis und Trank ins Haus. Das Getränk wird nicht eben harmlos gewesen sein, sondern vielleicht von der Art, welche noch heute hier an der Waterkant mit „nördlich“ bezeichnet wird. Es lässt sich daraus schließen, dass sämtliche Begleiter des Transports bald in einen festen Schlaf fielen.

 

Nun war des Müllers Stunde gekommen. Mit zwei in seine Pläne eingeweihten Knechten rollte er in aller Stille eines der Goldfässer herunter, versah es mit Ketten und versenkte es – nach einigen in einen tiefen Graben – nach anderen in ein Siel an der Oste. Beim ersten Morgengrauen – es war noch stockfinster – weckte er seine Gäste und bedeutete ihnen, wenn sie nicht gewärtig sein wollten, eventuell noch mehrere Tage dort bleiben zu müssen, jetzt sofort zur Abfahrt zu rüsten. Hals über Kopf wurde angeschirrt und in aller Eile zum Aufbruch getrieben. Ein nochmaliges Zählen der Tonnen unterblieb, die schweren Köpfe mögen es verschuldet haben. Der Fährmann brachte sie alle hinüber, und der Müller lachte sich ins Fäustchen.

 

Den beiden Helfershelfern an dem Diebstahl wurde außer einer Belohnung noch als eine besondere Gratifikation für ihre Beihilfe das Recht zuerkannt, sooft sie kämen, einen großen Schnaps, sogenannten Wachtmeister, unentgeltlich verlangen zu dürfen. Der Goldtransport zog weiter nach Harburg, wo wiederum Nachtlager bezogen werden musste. Welch ein Schrecken mag den verantwortlichen Männern in die Glieder gefahren sein, als sich herausstellte, dass eine Tonne fehlte! Die Sache wurde den Behörden gemeldet, genaue Untersuchung angestellt, aber in Hechthausen war man unschuldig und ahnungslos und nichts kam an den Tag.

 

Mit der Zeit wurde die Sache doch ruchbar. Der Müller, der als ganz mittelloser Mann nach Hechthausen gekommen war, hatte sich, als er die Mühle pachtete – um Inventar kaufen zu können – 50 Louisdor vom Geheimrat Marschalck geliehen – nun wurde er zusehends wohlhabender, baute Haus und Scheune neu, bezahlte seine Schulden und hinterließ, als er starb, seinen Kindern ein schönes Erbe.

Wenn dann in Hechthausen und Umgegend von diesem Aufblühen die Rede war, hieß es: „Das macht das englische Gold“. Bemerkenswert ist noch, dass ein alter Kapitän erzählt hat, in den vierziger Jahren des damaligen Jahrhunderts sei durch einen Anschlag in der Londoner Börse vor der Fähre zu Hechthausen gewarnt worden.“

von Manfred Baaske, nach Auguste von Marschalck (1916), H. G. Alstedt (2007) aus: F. J. Alstedt, Chronik von Hechthausen.

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