Die Nachtmahr

Nachtmahr, Johann Heinrich Füssli (1802)

 Von alters her berichtete man, dass das siebte Kind, wenn schon sechs Söhne oder Töchter geboren waren, zur Nachtmahr wurde, einem geheimnisvollen Wesen, welches des Nachts auf Pferden reitend ihnen die Mähnen verflicht. Und jedem, der die Mähnen mit einem Messer auseinanderschneidet erscheint die Nachtmahr in der darauf folgenden Nacht. Sie kriecht durch die kleinste Ritze oder durchs Schlüsselloch, setzt sich dem Unglücklichen in immer wechselnden Gestalten auf die Brust, sei es in Form einer schwarzen Katze oder eines anderen Tieres. Sie peinigt ihn solange, bis er in Schweiß gebadet aufwacht. Schutz vor der Nachtmahr hat nur der, der seine Schuhe mit den Spitzen vom Bett abgewandt aufstellt. Ja einem jungen Mann aus der Umgebung von Hechthausen passierte es einst, dass er diese Vorsicht vergaß. Und siehe, in der nächsten Nacht bekam er Besuch von diesem unheimlichen Wesen. Er erwachte aber, noch bevor es ihn verließ, sprang aus dem Bett auf und verstopfte mit seinem Schnupftuch das Schlüsselloch der Kammertür, da konnte die Nachtmahr nicht entweichen.


Sie verwandelte sich augenblicklich in ein wunderschönes junges Mädchen, so zeigte sich, dass sie kein Ungeheuer war. Als nun am nächsten Morgen der junge Mann aufstand, das Schnupftuch aus dem Schlüsselloch zog und die Tür öffnete, verschwand die Nachtmahr wobei sie folgendes sang:

 

Wat klingt de Klocken in Engelland,

Wat danzt de Poppen in Brabant!“

 

Der junge Mann hat sie nie wieder gesehen.

Nacherzählt von HG Alstedt  (s.a. Männer vom Morgenstern, Hake Betken siene Duven)

  zurück zur Übersicht